Die Entwicklung der 100-mm-Flak KS-19 fand im Juli 1947 im Werk Nr. 8 ihren Abschluss. Ein Jahr später sollten die ersten 64 Waffen an die Truppe geliefert werden. Doch erst 1949 konnte das Werk Nr. 8 die ersten 302 Geschütze ausliefern. Ab 1950 produzierten dann das Werk Nr. 8 zusammen mit dem Werk Nr. 235 bis einschließlich 1955 rund 10.150 dieser Kanonen. Ab 1951 erreichte die Version KS-19M die Truppen, ab 1955 die Version KS-19M2. Diese letzte Version erhielten dann auch DDR. Die Sowjetunion vergab Lizenzen zur Produktion der Flak auch an die VR Polen. Die DDR soll Anfang der 60er Jahre ihre letzten Geschütze aus der VR Polen bezogen haben.
Die 100-mm-Flak ist ein Luftabwehrmittel
zur Bekämpfung von Luftzielen in mittleren und großen Höhen.
Batterien mit 100-mm-Flak werden selbständig
oder im Zusammenwirken mit anderen Luftabwehrmitteln zur Deckung der Truppen
während der Gefechtshandlungen, auf dem Marsch und beim Entfalten
sowie zur Deckung von Übergängen oder Übersetzstellen, Gefechtsständen,
Flugplätzen, Marinebasen und anderen Objekten vor gegnerischen Luftangriffsmitteln
eingesetzt.
Das Hauptschießverfahren für
die 100-mm-Flak ist das batterieweise Schießen mit Kommandogerät.
Hierbei werden die vom Kommandogerät ermittelten Werte durch den zentralen
Verteilerkasten an die Geschütze übertragen und die hydraulischen
automatischen Richtgetriebe jedes Geschützes richten das Rohr ununterbrochen
nach der Seite und der Höhe auf den ermittelten Vorhaltepunkt. Außerdem
werden die der Entfernung zum Vorhaltepunkt entsprechenden Zünderlaufzeitwerte
ständig zum Geschütz übertragen und dort von der Zünderstellmaschine
automatisch am Zünder der Granate eingestellt.
Unter Verwendung des Zielfernrohrs
können mit der 100-mm-Flak auch im direkten Richten Luft- und Erdziele
bekämpft werden. Beim Schießen aus gedeckter Feuerstellung
auf Erdziele wird das Rundblickfernrohr verwandt. Die 100-mm-Flak wird
vorrangig zur Bekämpfung von Luftzielen eingesetzt. In Ausnahmefällen
können auch Erd- und Überwasserziele bekämpft werden.
Die 100-mm-Flak kam in den Flak-Regimentern 3 und 5, direkt den MB unterstellt, zum Einsatz. Aber auch die Einheiten der Luftverteidigung der NVA erhielten die KS-19M2. Die ersten 92 Geschütze erhielt die NVA 1957. Bis 1960 war der Prozess der Umstrukturierung sämtlicher Flakeinheiten abgeschlossen. Jedes Flak-Regiment (FR) war 1956 strukturmäßig in sechs Feuer-Batterien a 6 Geschütze und eine Regimentsschule gegliedert. Anfänglich mit Ersatztechnik ausgerüstet, konnten die FR 3 und - 5 bis 1958 mit je 36 Geschützen für die Batterien und je eine Flak für die Schule aufgefüllt werden. Die NVA benötigte insgesamt für sämtliche Einheiten und Schulen bis 1960 etwa 430 Waffen. Der Schock von Dresden saß tief. Es ist zweifelhaft, ob diese Stückzahl überhaupt erreicht wurde. Ab 1959 wurde das FR-16 der LSK/LV mit dem Fla-Raketenkomplex SA-75 Dwina ausgerüstet, das FR-16 in ein FRR-16 umgewandelt.
Zu jeder Feuer-Batterie gehörte ein Feuerleitkomplex, bestehend aus dem Kommando-Gerät 6-19 sowie einer Geschützrichtstation GRS-9. Ab 1957 wurden ebenfalls systematisch die Aufklärungseinheiten der FR mit der Rundblickstation (RBS) P-10, auch Funkmessstation P-10 genannt, ausgerüstet. Sie verbesserten die Ortung von Luftzielen in mittleren und großen Höhen. Ab 1965 kam die RBS P-12 zum Einsatz.
Als Zugmittel für die Flak kam die mittlere Zugmaschine AT-S zum Einsatz. Ab 1965 begann die Umstellung auf modernere Zugmittel, den Tatra 813, bzw. das Kettenzugmittel AT-S 59. Dieser Prozess zog sich bis 1970 hin.
Die Anzahl der
tatsächlich eingeführten Geschütze konnte bisher noch nicht
ermittelt werden. In den Nachweisen von 1971 und 1974 sind jeweils
145 Geschütze als "IST" angegeben. Die Planung sah aber für das
"SOLL I" 65, für das "SOLL II" 128 Geschütze vor. Es fehlten
also 48 Waffen.
Ende der 60er
Jahre begann die Einführung der ersten Elemente des Fla-Raketen-Komplexes
KRUG in die Einheiten der Landstreitkräfte, womit das Zeitalter dieser
imposanten Geschütze sich ihrem Ende neigte. Bis zum 30.04.1978 wurde
das FRR-5 aufgestellt. Das FRR-3 konnte bis zum 31.10.1980 die Gefechtsbereitschaft
herstellen. Die beiden Flakregimenter 3 und 5 wurden zu Flakabteilungen
mit 3 Flakbatterien 57-mm umstrukturiert. Und nicht wie sonst üblich,
ältere Waffen in das SOLL II umzustrukturieren, wurden die 100-mm-Flak
komplett ausgesondert.
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Die wichtigsten taktischen und technischen Angaben der 100-mm-Flak KS-19M2:
Kaliber | 100 mm |
Länge des gesamten Rohres | 6073 mm / 60,7 Kaliber |
Länge des Geschützes mit Zugstange | 9170 mm |
Höhe des Geschützes ohne Schutzschild | 2123 mm |
Bodenfreiheit | 330 mm |
Gewicht Rohr mit Verschluss | 1500 kg |
Gewicht der Oberlafette | 3066 kg |
Gewicht des schwenkbaren Teils | 5650 kg |
Gewicht in Gefechtslage | 9350 kg |
Gewicht in Marschlage | 9450 kg |
Gewicht der Granate UO-415 | 15,6 kg |
Gewicht der Treibladung NDT-3 18/1 | 5,5 kg |
Anzahl der Züge | 40 |
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Erhöhungswinkel | - 3 ... + 85 Grad |
Schwenkbereich | 360 Grad |
Höhe der Nullfeuerlinie | 1365 mm |
Höhe der Waffe
- bei Rohrerhöhung 0 Grad - bei Rohrerhöhung 85 Grad |
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3700 mm 7650 mm |
Länge des Rohrrücklaufes
- normal bei Rohrerhöhung 85 Grad - normal bei Rohrerhöhung 0 Grad |
.
650 ... 800 mm 900 ... 1050 mm |
Anfangsgeschwindigkeit | 900 m/s |
Radius beim Wenden | 9 m |
Breite
- in Feuerstellung - in Marschstellung |
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4860 mm 2350 mm |
Bodenfreiheit | 330 mm |
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Schußentfernung | maximal 21 000 m |
maximale Schusshöhe bei Rohrerhöhung 85 Grad | 15 400 m bei Granate
mit Zünder AP-21
14 900 m bei Granate mit Zünder BM-45 12 700 m bei Granate mit Zünder BM-30, -L und -L1 |
Feuergeschwindigkeit | 14 ... 15 Schuß/min |
Geschwindigkeit
- auf der Straße - im Gelände |
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35 km/h 10 km/h |
Besatzung | 7 Mann |
Verschossen wurde
folgende Munition auf Luftziele:
- Splittergranate UO-415 mit Zeitzünder BM-30, oder BM-30L, oder BM-30L1,
oder BM-45
- Splittergranate UO-415R mit Funkzünder AR-21
Die Zünderlaufzeiten konnten von 0,38 bis 43,69 Sekunden eingestellt werden.
Verschossen wurde
folgende Munition auf Erdziele:
- Splitter-Sprenggranate UOF-412 mit Aufschlagzünder RGM-6
- Panzergranate mit Leuchtspur UBR-412B mit Bodenzünder MD-8 oder
MD-7
- Panzergranate mit Leuchtspur UBR-412 mit Bodenzünder MD-8
In diesem Rahmen
noch eine Anekdote aus längst vergangenen Tagen:
Im Panzerregiment
1 wurden im Sommer 1985 oder 1986 Flak-Granaten mit der Kanone des T 55A
verschossen. Es war ein enormer Bestand von diesen Granaten vorhanden,
gebraucht wurden sie nicht mehr. Die Panzerkanonen wurden sogar mit diesen
Granaten angeschossen, was völlig untypisch war. Im Zielfernrohr wurde
die Skala für die Splitter-Sprenggranate benutzt. Wenn beim Schießen
mit 100-mm-Übungsgranaten gespart wurde, wer also mit der ersten Granate
traf, durfte nicht weiter schießen, so war das beim Schießen
mit der Flak-Granate anders. Alle drei Granaten wurden verschossen. Da
es für uns keine Zünderstellschlüssel gab, erhielten die
Granaten spezielle Zünder, die die Granate bei Abpraller nach 3000
m zerlegten. Und das war dann auch die Achillesferse der Sache. Es gab
keinen sicheren Weg, die Zünder so einzubauen, dass sie auch effektiv
arbeiten konnten. Es konnte vorkommen, dass der Zünder versagte. Und
wer den Schießplatz Brück kennt weiß, dass da durchaus
Gefahr für die Bevölkerung bestehen konnte. Damit starb dieses
Projekt. Aber eins war toll, mit der Flak-Granate konnte man auf den Punkt
schießen. Ich selber habe drei Rennen geschossen und, ehrlich, neun
Treffer erzielt.
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Literatur- und Fotonachweis:
-
Erhart Gerecke
-
Jürgen Plate
-
Handbuch für gezogene Flak
-
DV-42/44 Handbuch 100-mm-Flak Teil 1 bis 3 1959
-
DV-22/ 8 Schusstafel 100-mm-Flak für Luftziele 1957
-
DV-22/ 9 Schusstafel 100-mm-Flak für Erdziele 1957